Film Review - „How to Build a Truth Engine“ von Friedrich Moser
- Steffen Konrath
- 20. Mai
- 3 Min. Lesezeit
In seinem Dokumentarfilm How to Build a Truth Engine geht Friedrich Moser einer der drängendsten Fragen unserer Zeit auf den Grund: Warum scheint es heute so schwer, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden? Der Film folgt dabei mehreren miteinander verwobenen Strängen – Informationskriegsführung, investigativem Journalismus, Softwareentwicklung und Neurowissenschaft – um der zentralen Frage nachzugehen: Warum lassen wir uns so leicht täuschen?

"How To Build A Truth Engine" - Friedrich Moser sucht nach Lösungen
In seiner Dokumentation schlägt Moser nicht einfach nur Alarm. Über fünf Jahre lang hat er an diesem Film gearbeitet, mit Wissenschaftler:innen, Journalist:innen, Entwickler:innen und Vordenker:innen gesprochen. Herausgekommen ist kein Allheilmittel, aber ein ernsthafter, tiefgehender Versuch zu verstehen, wie wir in diese Lage gekommen sind – und was wir tun können, um wieder herauszufinden.
Was der Film zeigt
1. Unser Gehirn will getäuscht werden
Das menschliche Gehirn liebt Muster – auch dort, wo eigentlich keine sind. Wer zu viel Zeit online verbringt und immer wieder ähnlichen oder einseitigen Inhalten begegnet, beginnt, die Welt durch eine verzerrte Brille zu sehen. Vertraute Aussagen „fühlen sich“ plötzlich wahr an – auch wenn sie es nicht sind. Eine zentrale Erkenntnis der Neurowissenschaftler:innen im Film: Unser Realitätsgefühl kann leise entgleisen, ohne dass wir es merken.
2. Desinformation ist nichts Neues – aber heute mächtiger denn je
Verwirrung als Kriegsstrategie? Nichts Neues, sagt Moser – das wussten schon Strategen wie Sun Tzu vor über 2000 Jahren. Neu ist jedoch die Geschwindigkeit und Reichweite: Soziale Medien, KI und das Internet als Brandbeschleuniger geben Falschnachrichten eine ganz neue Macht. Der Film zeigt konkrete Beispiele, darunter die Rolle von Verschwörungserzählungen beim Sturm auf das US-Kapitol und wie TikTok die Wahlen in Rumänien beeinflusste.
3. Der Journalismus muss sich weiterentwickeln
Klassische journalistische Prinzipien – Faktencheck, verlässliche Quellen, Mehrfachverifikation – bleiben essenziell, reichen aber heute allein nicht mehr aus. Moser zeigt, wie investigative Teams (z. B. bei der New York Times) mit Satellitenbildern, privaten Videoaufnahmen und Open-Source-Analysen Kriegsverbrechen rekonstruieren und Desinformation entlarven. Es ist Journalismus im 21. Jahrhundert – halb Detektivarbeit, halb Technologieeinsatz.
4. Technologie hilft – aber sie wird uns nicht retten
Trotz des Titels gibt es keine tatsächliche „Truth Engine“. Was es gibt, sind Werkzeuge. Datenauswertungen können dabei helfen, reale Ereignisse visuell miteinander zu verknüpfen – während Verschwörungstheorien oft isoliert im digitalen Raum schweben. Der Film spricht von „Fake-Inseln“. Solche Karten könnten künftig helfen, Lügen schneller zu erkennen. Doch eines bleibt klar: Technik ist Teil der Lösung, aber nicht die Lösung selbst.
Wichtige Erkenntnisse
Medienkompetenz ist unverzichtbar. Moser verweist auf Finnland: Dort lernen Kinder früh, Quellen kritisch zu hinterfragen – kein Wunder also, dass es das Land mit dem höchsten Vertrauen in Medien ist.
Wahrheit braucht ein stabiles Ökosystem. Dazu gehören unabhängiger Journalismus, verlässliche Technik, mündige Bürger:innen – und das Bewusstsein für unsere eigenen kognitiven Schwächen.
Fakten allein überzeugen nicht. Populisten erreichen Menschen über Emotionen. Wer für Wahrheit eintritt, muss lernen, nicht nur korrekt, sondern auch berührend zu kommunizieren – mit echten, menschlichen Geschichten.
Niemand ist immun. Moser selbst gibt zu, schon auf Falschnachrichten hereingefallen zu sein. Entscheidend ist, das zu erkennen, daraus zu lernen – und bereit zu sein, sich zu korrigieren.
Fazit
How to Build a Truth Engine geht nicht darum, eine Maschine zu bauen, die uns sagt, was wahr ist. Es geht darum, eine Gesellschaft zu bauen, die mit Wahrheit umgehen kann – mit Offenheit, Neugier und den richtigen Werkzeugen, um inmitten des Informationslärms klar zu sehen. Ein relevanter, durchdachter Film, der nicht nur das Problem zeigt – sondern auch Wege, wie wir es gemeinsam angehen können.
⭐⭐⭐⭐⭐ Bewertung: 5 / 5
Kluge Verknüpfung von Journalismus, Technologie und NeurowissenschaftAnschaulich erzählt, mit realen Beispielen und hoher gesellschaftlicher RelevanzLösungsorientiert statt alarmistisch – ein Film mit Haltung